CE-Kennzeichen für Bauprodukte: OGH - Urteil

Seit Kurzem definiert der OGH die CE-Kennzeichnung als Vereinbarungssache. Das ändert an der Pflicht zur CE-Kennzeichnung nichts, führt aber zu erhöhtem Aufwand.

In der Ausgabe 5/2024 der Bauzeitung wurde über das OGH Urteil 7Ob 43/23h zur CE-Kennzeichnung berichtet („Tatsache schlägt Zertifikat“). Kernsatz des Urteils ist, dass vertraglich ausdrücklich festgehalten werden muss, welche Eigenschaften ein Bauprodukt (hier Türen) aufweisen muss, um als (sach)-mängelfrei beurteilt werden zu können. Demnach ist auch die CE-Kennzeichnung Vereinbarungssache und ihr Fehlen kein(!) Qualitätsmangel (Erwägungsgrund 17).

Diese Argumentation mag stringent zur bisherigen Judikatur des OGH sein, ist aber trotzdem nicht lebensnahe und zumindest ungewöhnlich. Warum? Jeder Käufer von Produkten sollte davon ausgehen können, dass diese allen gültigen Gesetzen, also auch den europäischen Vorgaben und damit auch den Anforderungen der CE-Kennzeichnung entsprechen. Es wird in diesem Urteil also über Produkte entschieden, die gar nicht hätten in Verkehr gebracht werden dürfen. Ergänzend ist festzuhalten, dass die CE -Kennzeichnung primär an die Marktaufsichtsbehörden gerichtet ist und nicht an den Endverbraucher. Wieso dann aber ebendieser Endverbraucher unter Strafandrohung stehende Pflichten des Herstellers vertraglich noch einmal festhalten muss, um deren Einhaltung sicherzustellen, erschließt sich nicht und ist dem redlichen Erklärungsempfänger bzw. dem durchschnittlichen Käufer auch nicht zuzumuten. Die OGH-Entscheidung ist umso verwunderlicher, weil die Strafbestimmungen bei „Fehlen der CE-Kennzeichnung“ im Bauproduktengesetz z.B. der Steiermark unter § 23 (2) eine Geldstrafe bis € 50.000,- und unter § 23 (7) den Verfall der Bauprodukte vorsehen. Da der Fall aber vermutlich verjährt ist, wird wohl nicht mehr viel passieren. Der Hersteller oder Inverkehrbringer der Türen hat somit Glück gehabt, dass niemand die fehlenden CE-Kennzeichnung - der Marktaufsicht für Bauprodukte angesiedelt im Österreichischen Institut für Bautechnik – zur Kenntnis gebracht hat. Damit hätte jedenfalls der Rechtsmangel der „fehlenden CE-Kennzeichnung“ behördlich verfolgt werden können.

In seiner Entscheidung stellte der OGH jedenfalls die Sachmängelfreiheit fest. Damit leistet das Urteil dem Inverkehrbringen ungekennzeichneter Produkte in Österreich Vorschub. Leider hat das Urteil aber auch Folgen für viele andere Produktgruppen mit CE-Kennzeichnungspflicht, wie Elektrogeräte, Druckgeräte, Maschinen, Spielzeug, Medizingeräte, etc. Denn bei den genannten Produkten müsste der Käufer ebenfalls entweder die CE-Kennzeichnung vereinbaren (!) oder es akzeptieren, falls sie nicht angebracht ist. Das macht das OGH-Urteil verwirrend. Gleichzeitig verkompliziert das Urteil die Beschaffung von Bauprodukten, verlangt es doch vom Käufer, egal ob privater Endverbraucher oder Unternehmen, Aufgaben der Marktaufsicht zu übernehmen und behindert so das Funktionieren des EU-Binnenmarktes. Wie relevant das OGH-Urteil für Streitigkeiten bei grenzüberschreitenden Lieferungen innerhalb der EU sein wird, wird sich zeigen.

Fazit: Die bestehende Pflicht zur CE-Kennzeichnung wurde in dem Urteil klar festgehalten. Es erscheint trotzdem ratsam Standardverträge und AGBs anzupassen. Ob eine Pauschalformulierung der Forderung nach „ausdrücklicher Vereinbarung“ genügt und ob private Endverbraucher und Unternehmen hunderte harmonisierte Normen jeweils mit dem Zusatz „mit gültigem CE-Kennzeichen“ vereinbaren müssen, wird wohl erst das nächste OGH-Urteil klären - inklusive der offensichtlichen Frage der Zumutbarkeit. © Georg Matzner

 

(Dieser Artikel erschien in "Handwerk+Bau" 08/24)

 

Nachtrag: Der OGH konzentriert sich in seiner Beurteilung nur auf den Sachmangel und bedenkt nicht die weitreichenden Folgewirkungen seiner Entscheidung. So wird die Frage, dass mit der CE-Kennzeichnung die Erfüllung geforderter Vorbedingungen mit bestätigt wird, um überhaupt CE-Kennzeichen anbringen zu können, völlig weggelassen. Konkret sind damit Anforderungen an die Inverkehrbringer in Abhängigkeit von der jeweiligen Verordnung oder Richtlinie gemeint. Zwei Beispiele: Die Bauprodukteverordnung kann zB. eine Erstprüfung eines Produktes verlangen oder es muss eine werkseigene Produktionskontrolle eines Herstellers von einer notifizierten Stellen auditiert worden sein. Für Produkte nach der Maschinenrichtlinie  muss das Vorhandensein einer Risikobewertung des Herstellers ebenfalls von einer notifizierten Stellen auditiert und bestätigt worden sein. All das wird durch das Kennzeichen aber bestätigt. Ein Wegfall lässt also die Marktaufsicht (und den Käufer) im Unklaren über Produkt und Hersteller. Wie der OGH zur Annahme kommen kann, ein Produkt habe keinen Sachmangel, wenn Unklarheit herrscht, ob die Vorbedingungen zur Inverkehrbringung erfüllt sind, bleibt offen. Jedenfalls ist die enge Verflechtung aus Sachfragen und Rechtsfragen komplexer, als das Urteil des OGH es erscheinen lässt. Der new legal framework, den die EU vor Jahren für den Aufbau des gemeinsamen europäischen Marktes mit der CE-Kennzeichnung als Kern entwickelt hat, sollte gleichzeitig die Marktaufsicht durch das einheitliche CE - Kennzeichen erleichtern. Mit diesem Urteil hat sich Österreich von diesem Zugang entfernt, im Gegenteil, es führt zu einem bürokratischen Mehraufwand, Rechtsunsicherheit und Schlechterstellung des Käufers. Aufgrund dieser Erwägungen erscheint das Urteil als verfehlt.

 

P.S.: Der Entwurf zur überarbeiteten Bauprodukteverordnung (ab 2025?) sieht unter anderem vor, dass es ein frei zugängliches Meldeportal für nicht konforme Produkte geben soll. Und auch Kosten für Tests und Untersuchungen nicht konformer Produkte durch die Marktaufsichtsbehörde können dem Inverkehrbringer in Rechnung gestellt werden.

 

© Georg Matzner